Vorhersage von Studienerfolg internationaler Studierender im Vergleich zur deutschen Hochschulzugangsberechtigung: Welche Rolle spielt eine einheitliche Leistungsmessung? (LIMES)

Zum Projekt

Zentraler Untersuchungspunkt der LIMES-Studie war die Analyse der Vorhersagekraft unterschiedlicher Schulabschlüsse (auch Abitur 2020 vs. Abitur 2021) für den Studienerfolg im Vergleich zum Studieneignungstest TestAS. Einen weiteren Schwerpunkt stellte die Rolle nicht-leistungsbezogener Faktoren als Prädiktoren für Studienerfolg dar, auch im Zusammenspiel mit den kognitiven Faktoren (Schulabschlussnote und kognitive Tests). Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Vorhersage von Änderungen des Studienstatus (bzw. den Überlegungen, eine Änderung zu vollziehen, fortan Änderungsgedanken) als Grundlage eines Monitoring-Tools zur Früherkennung von Schwierigkeiten im Studium. Zusätzlich wurden die von den Studierenden empfundenen pandemiebedingten Einschränkungen im Studium und deren Auswirkungen untersucht.

Das Projekt LIMES wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Es wurde vor dem Hintergrund hoher Abbruchquoten insbesondere internationaler Studierender in Deutschland konzipiert. Es fügt sich so in eine Reihe ähnlicher aktueller Studien (insbesondere im Rahmen der Projekte „SeSaBa“ und „SpraStu“) und ergänzt diese um neue Aspekte: den Vergleich bzw. das Zusammenspiel von kognitiven Tests, verschiedenen Schulabschlussnoten und nicht-leistungsbezogenen Variablen als Prädiktoren von Studienerfolg.

Die Studienteilnehmenden (internationale und nationale Sekundarschulabsolvent*innen bzw. Studienanfänger*innen in zwei Kohorten) nahmen an drei Online-Befragungen im ersten Studienjahr (Beginn Semester 1, Ende Semester 1, Ende Semester 2) und an einem selbst-konzipierten digitalen kognitiven Test (LIMES-Test) teil. Der Fragebogen ist inhaltlich angelehnt an Befragungen im Projekt SeSaBa (der SeSaBa-Fragebogen wurde zur Verfügung gestellt).

Zentrale Ergebnisse

Die folgenden Ergebnisse zur Vorhersage von Studienerfolg bilden den Kern der Studie:

Standardwert TestAS Kerntest; Diagramm zum Notendurchschnitt im 1 Semester;
Abb. 1: Vorhersagekraft des TestAS-Kerntests für Studiennoten in Semester 1
  1. Zur Vorhersage von Semesternoten waren die kognitiven Maße entscheidend. Für die nationalen Studierenden war dies die Hochschulzugangsberechtigung (HZB). Für die internationalen Studierenden war dies teilweise (stärker) die HZB, teilweise ausschließlich LIMES-Test oder TestAS. Abbildung 1 veranschaulicht, für die internationale Gruppe, die Prognosekraft der Ergebnisse im Kerntest des TestAS für die Noten im ersten Semester.
  2. Zur Vorhersage von Freude im Studium und selbst eingeschätzten Studienfähigkeiten spielten sowohl kognitive (für nationale die HZB; für internationale die HZB und/oder LIMES-Test) als auch nicht-leistungsbezogene Variablen (Anerkennung durch Mitstudierende und Dozierende, Identifikation mit der Hochschule; Kontakt zu Dozierenden und Mitstudierenden) eine Rolle.
  3. Für die Vorhersage von Änderungsgedanken spielten die untersuchten nicht-leistungsbezogenen Variablen eine große (internationale Gruppe) oder alleinige (nationale Gruppe) Rolle. In der nationalen Gruppe setzte sich hier am eindeutigsten die Anerkennung durch Dozierende und Mitstudierende durch. In der internationalen Gruppe war die Identifikation mit der Hochschule der entscheidende Faktor (zusätzlich lieferte hier auch der Kerntest des Fachtests eine signifikante Varianzerklärung).

Weitere Ergebnisse umfassten folgende Aspekte:

  • Die Bedeutung standardisierter Tests wie dem TestAS für internationale Studierende wurde auch angesichts weniger aussagekräftiger Noten in ausländischen HZBen (verstärkt durch Verzerrungen bei der Umrechnung der Noten in das deutsche Notensystem) deutlich. 
  • Die wichtigsten Faktoren für Änderungsgedanken waren ein Mangel an Motivation, falsche Vorstellungen vom Studienfach, Zweifel an der eigenen Eignung oder Leistungsprobleme. Auch die Unzufriedenheit mit dem Studienort, der Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit und persönliche Gründe spielten eine Rolle.
  • Studierende im Frühjahr 2021 empfanden eine hohe Belastung durch die überwiegende Onlinelehre und mangelnde soziale Kontakte als Folge der Pandemie. Diese Einschränkungen hatten einen verstärkenden Einfluss auf Änderungsgedanken. Die empfundenen Belastungen nahmen im Laufe der Befragungszeitpunkte sehr konsistent nach und nach ab.
  • Internationale Studierende verfolgten offenbar gezielter Strategien zum Lernen und zur Motivierung. Das Bewusstmachen der Wichtigkeit von Noten und das Bewusstsein über Lernziele stand in klarstem korrelativem Zusammenhang mit Studienerfolg für nationale und internationale Studierende.

Rückmeldungen für Monitoring-Systeme

Monitoring-Tools können zur Früherkennung von Gefährdungen des Studienerfolgs (insbesondere Studienabbruch) genutzt werden:

  • Studierende beantworten studienbegleitend regelmäßig Fragen.
  • Sie erhalten automatische, individuelle Rückmeldungen und Handlungsempfehlungen; hierfür zentral ist das zielgerichtete Angebot vorhandener Betreuungs- und Beratungsangebote.
  • Studierende werden so frühzeitig zur Selbstreflexion und Früherkennung von Gefährdungen des Studienerfolgs angeregt.

Aus den Analysen im LIMES-Projekt lassen sich eine Reihe von konkreten Schlussfolgerungen für ein Monitoring-Tool ableiten. Es konnten Faktoren identifiziert werden, die Studierende selbst als maßgeblich für Änderungen und Änderungsgedanken erachteten oder die sich in Analysen als signifikant erwiesen. Diese sollten regelmäßig evaluiert werden, um passgenaue Angebote zur Unterstützung entwickeln zu können:

  • Mangelnde Studienmotivation: Bei niedriger Motivation sollten Gründe eruiert werden (z. B., ob es an Leistungsproblemen liegt);
  • Leistungsprobleme und Zweifel an der eigenen Eignung: Hier sollte auch fachspezifisch nach problematischen Bereichen gefragt werden; es können u. a. Kontakte z. B. zur Fachschaft hergestellt werden.
  • Persönliche Gründe: Als Feedback können Unterstützungsmöglichkeiten angeboten werden (z. B. psychologische Beratungsstelle der Hochschule).
  • Unzufriedenheit mit dem Studienort: Tipps wie Ausflugsziele können gegeben werden;
  • Wunsch nach praktischer Tätigkeit: es können z. B. inhaltlich relevante Nebenjobs oder Praktika aufgezeigt werden;
  • Identifikation mit der Hochschule: ein Überblick über attraktive Angebote der Hochschule kann präsentiert werden;
  • Anerkennung durch Dozierende: es kann ggf. eine Kontaktherstellung zu beratenden Dozierenden erfolgen; auch könnten automatische Rückmeldungen an einzelnen Dozierende in anonymer Form erfolgen.
  • Kontakt zu Mitstudierenden: Entsprechende Möglichkeiten zum Knüpfen von Kontakten können aufgelistet werden.

Weitere Praxistipps für Hochschulen

Die LIMES-Daten belegen, dass Studierende häufig aus falschen Vorstellungen vom Studienfach zu Änderungen im Studienverlauf (Abbruch, Pause, Fachwechsel) und Änderungsgedanken neigen. Die Qualität der Beratung, die schon vor der Entscheidung für Studiengang und -ort angeboten wird, ist daher von großer Bedeutung. Diese Beratung sollte Art und Ausrichtung von Studiengängen und spezifische Angebote der Hochschule thematisieren (z. B. durch Webinare, Probevorlesungen und Self-Assessments für Schüler*innen).

Die Identifikation mit der Hochschule ist ein wichtiger Faktor für den Studienerfolg. Daraus folgt auch der Hinweis an Hochschulen, ihr Image und ihre Angebote (z. B. Sport, Veranstaltungen, Buddy-Programme, aber auch Freiwilligenarbeit in AStA oder Fachschaft) bestmöglich zu pflegen und zu bewerben. Die Bedeutung von expliziter Anerkennung der Studierenden durch Dozierende für den Studienerfolg sollte z. B. im Rahmen von Fortbildungen hervorgehoben werden.

Auf Grund der hohen Validität und Prognosekraft standardisierter Tests sollten Universitäten diese in ihren Auswahl- und Zulassungsverfahren internationaler Studierender aufnehmen, um eine passgenauere Auswahl treffen zu können.